Guenther-Sandleben

Gegen Kapital und Nation

Nationalismus als Integrationsideologie Download

Drei Gesichter des Kapitals: Globalität, Nationalität, Individualität Download 

Kapital, Volk, Nation und Staat.
Voraussetzungen heutiger Nationalstaaten Auszug aus: Gegen-Kultur, Stuttgart 2014 Download

Konferenz gegen Staat, Nation & Kapital
Stuttgart 2013
Vortrag (ppt): Zusammenhang von Kapital, Volk, Nation und Staat    Download

Der gewollte Krieg der USA. Eine ökonomische Analyse Download

Trumps »America first«  Das nationale Interesse als Interesse einer nationale Bourgeoisie. Thema jW 23.5.17      Download

Trumps "America First" – Bittere Wahrheiten für die neue Globalisierungs- und Klassentheorie  Download

Nationalökonomie & Staat. Zur Kritik der Theorie des Finanzkapitals Download

Kapital und Nation

Was hat das Kapital mit der Nation zu tun? Scheint doch das eine eine ökonomische, das andere eine politische Kategorie zu sein. Oder gehört beides zusammen, wie von der Kritik der politischen Ökonomie eingefordert. Was ist die bestimmende Größe - existiert ein Basis-Überbau-Verhältnis, worin das im ökonomisch-gesellschaftlichen Raum operierende Kapital bei allen Wechselbeziehungen das politische Geschehen stärker beeinflusst? Und ist die Nation gar ein Produkt der kapitalistischen Produktionsweise? Sollte dies der Fall sein, wäre zu prüfen, in welcher Weise die kapitalistische Produktionsweise Nationalstaaten hervorgebracht hat und warum kein Weltstaat entstanden ist.

Man sieht, in dieser Rubrik werden sehr spannende theoretische Fragen aufgeworfen. Es geht um Krieg und Frieden, um große Verbrechen, die für die Größe und Selbstbehauptung einer Nation begangen werden, um die Förderung von Vaterlandsliebe und nationaler Identität.  

Dass annähernd alle Nationen im Krieg entstanden, wirft bereits einen Schatten auf deren Existenz. Und dass die kapitalistische Entwicklung mit schrecklichen Kriegen eng verknüpft ist, weckt den Verdacht, dass „der Kapitalismus den Krieg in sich trägt wie die Wolke den Regen“, wie der bekannter Sozialist,  Jean Jaurès, einige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg behauptete.

In dem Essay "Drei Gesichter des Kapitals: Globalität, Nationalität, Individualität"  (Download) steht vereinfacht gesagt das globale Gesicht des Kapitals für den Weltmarkt, das nationale Gesicht für den Binnenmarkt mit dem darin wurzelnden Nationalstaat und die Individualität für das Einzelkapital, das sich unter bestimmter Bedingungen als gesellschaftliches Gesamtkapital konstituiert.  

Das Rätsel ist zu lösen, weshalb auf der Grund eines bereits bestehenden Welthandels keine globale Ökonomie mit einem Weltstaat, sondern stattdessen Nationalökonomien mit verschiedenen Nationalstaaten entstanden sind. Die Lösung findet man in einer genauen Analyse des Kapitals.

Nur zu schnell gelangt man auf eine falsche Fährte, wenn man das Kapital als "Finanzkapital" auffasst oder als bloßes Handelskapital. Gerade diese beiden Formen des Kapitals, so auffällig sie auch immer in der Vorgeschichte des Kapitalismus auftraten, sind mit den Regionen weniger verwurzelt als die kapitalistische Industrie. Entsprechend ist die geopolitische Verbindung nur schwach ausgeprägt. Kapital in diesen beiden Formen konnte deshalb schon existieren, ohne dass es moderne Nationen gab, etwa in der Antike und im Mittelalter.

Erst als das Kapital begann, die Produktion zu erobern, also in der Phase der sogenannten ursprünglichen Akkumulation, entstanden auf der Grundlage dieser neuen ökonomischen Qualität die Nationen. Der Merkantilismus als die historisch erste Form einer kapitalistischen Produktionsweise wird nicht ohne Grund als nationalistische Periode interpretiert. Das Kapital eroberte nicht nur die Produktion, sondern wurde in diesem Raubzug von einem Staat unterstützt, den es mehr und mehr für seine Zwecke umformte, bis er den Charakter des bürgerlichen Nationalstaats erhielt.  Ein "ideeller Gesamtkapitalist", wie Friedrich Engels ihn später nennen sollte.  

Nation

Das Geheimnis für die Vielzahl von Staaten, die miteinander Konkurrenzkämpfe austragen, sich dabei in Kriegen verwickeln und sich selbst als Nationalstaaten mit besonderen Eigenschaften und nationalen Interessen definieren, steckt in der Kategorie des Gesamtkapitals. Innerhalb der Grenzen eines Gesamtkapitals meinten die Menschen, ein Volk  zu bilden und orteten hier ihre eigene Nation.

Wie unterscheiden sich die Völker, wenn nicht durch ihre tatsächlichen oder eingebildeten kulturellen, religiösen, politischen, biologischen oder geografischen Merkmale. Solche Kriterien dienten sowohl der Abgrenzung als auch der
eigenen Identifikation. Durch die auswärtige Konkurrenz wurden die kulturellen, religiösen,
politischen oder ethnischen Unterschiede in einen nationalen Gegensatz transformiert.
Auf diese Weise erhalten bis heute die Konkurrenzkämpfe der Gesamtkapitale den Schein von kulturellen, religiösen oder ethnischen Konflikten. Oftmals ist dann nur noch diese äußere Hülle sichtbar, während der profane ökonomische Kern darunter versteckt bleibt.

Hier nun haben wir den Begriff der Nation: Die besondere Form, unter der das Interesse
eines Volkes – dem inneren Zusammenhang nach das Interesse des entsprechenden
Gesamtkapitals – nach außen hin, gegenüber anderen Völkern vertreten wird, ist die Nation.
Das Volk bildet nur insofern eine Nation, als es in Konkurrenz zu anderen Völkern steht, also einen ökonomischen Kampf dagegen führen muss.

Nationalismus

Die politische Geschichte moderner Nationen ist dadurch gekennzeichnet, dass das nationale
Element im Zeitverlauf keineswegs gleichmäßig hervortritt. Zeiten ausgeprägten Nationalismus,
wie etwa die Periode von 1914 bis 1945, wurden in Europa von Zeiten abgelöst, in denen die nationalen Auseinandersetzungen weniger kraftvoll hervortraten. Das nationale Element erhält einen auffälligeren Charakter, sobald sich der Staat aufgrund von Krisen genötigt sieht, die Volksmassen für sich in Bewegung zu setzen. Das gilt schon für die gegenwärtigen Handelskriege. Das in normalen Zeiten eher „unauffällige“ Nationalgefühl wird bis hin zum Nationalhass gesteigert, wenn der   Nationalstaat, wie derzeit die Ukraine, in Gefahr gerät oder dabei ist,  seine Souveränität zu erkämpfen.

Hierbei kommt eine einfache Regel zum tragen: Je größer die Ziele sind, die der Staat
durchsetzen will, desto mehr ist er auf das Mitmachen seines Volkes angewiesen. Hier
liegt der Grund, warum der in Friedenszeiten vielfach kritisierte Nationalismus in Kriegszeiten
zur Normalform wird. Gerade in derart kritischen Situationen müssen Staat und
Medien die breiten Volksmassen zur persönlichen Bewältigung der anstehenden Kriegsopfer intensiv vorbereiten. Eine nationale Sonderbehandlung wird nötig. Würden denn
sonst die Soldaten mitmachen, wenn ihr Blut nicht für eine besonders ehrenwerte nationale Angelegenheit, sondern schlicht für die Bereicherung von Konzernen und Oligarchen, für Absatzmärkte, Rohstoffe oder für politische Einflusssphären fließen soll? Der schnöde  Mammon im Interesse der Konzerne und Oligarchen reicht dem einfachen Bürger natürlich nicht aus, um sein Blut auf dem Schlachtfeld zu verspritzen oder einen Teil seines bitter verdienten Einkommens in Kriegen verschwenden zu lassen. Man stirbt nicht für Geschäfte sondern nur für Ideale; teures Blut soll sich freudig hingeben im Kampf gegen das Böse und für die Ehre und Größe der Nation.

Der Nationalismus besitzt notwendigerweise eine populistische Seite, spricht die Gefühlsebene an, erweckt Helden und Mythen der Vergangenheit zu neuem Leben. Es versteht
sich für die Geschichte des Nationalismus von selbst, dass solche Suche nach den Ursprüngen
leicht zur reinen Erfindung wird, in der Legenden und Mythen einander abwechseln.